02. Heavy Metal

Definition

„Heavy Metal ist ein fester Bestandteil populärer Musikkultur, mehr noch, er wird zunehmend als ein Phänomen angesehen, das äußerlich entgegen allen schnelllebigen Trends und Veränderungen, von denen sonst die populäre Musikkultur bestimmt ist, konstant und einheitlich bleibt“ (Rachau, Sebastian: Im Feld des Heavy Metal – Vier deutsche Bands. In: Schriftenreihe „Studien zur Musikwissenschaft“ (Band 29). Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2014. Seite 13)

Die Musikstilrichtung Heavy Metal ist eine Untergattung der Rockmusik. Für Rockmusik ist allgemein kennzeichnend, dass es inhaltlich vier Haupteigenschaften aufweist: “‘Authentizität’ (Musik und Texte sind einfach und direkt, die Interpreten spielen (meist) ihr eigenes Material, die Präsentation der Musik ist nachvollziehbar: kleine Bands, im Gegensatz zu großen, anonymen Orchestern), ‘Integrität’ (Interpreten und Rezipienten vertreten dieselben sozialen Kontexte, tragen dieselbe Kleidung, sprechen dieselbe Sprache), darauf aufbauend auch ‘Rebellion’ (Ablehnung bestehender und damit Propagierung anderer Werte als der der Mutterkultur) und ‘Expressivität’ (Lautstärke, Tempo, Darstellung von Emotionen durch extreme physische Verausgabung beim musikalischen Vortrag)” (Altrogge, Michael: Videoclips - Die geheimen Verführer der Jugend?: ein Gutachten zur Struktur, Nutzung und Bewertung von Heavy-Metal-Videoclips. Berlin: Vistas 1991. S. 17). Heavy Metal ist wiederum ein Oberbegriff für verschiedene Strömungen, quasi für das gesamte Feld. Er bezeichnet zudem den anfänglichen, traditionellen Metal.

Seine Autonomie erfährt der Heavy Metal durch die Auseinandersetzung mit den Feldern Politik und Religion (vgl. Rachau 2014, S. 127). Heavy Metal zielt dazu nach außen hin auf Skandal durch okkultistische und satanistische Anspielungen ab, um sich abzugrenzen und zu autonomisieren. Nach innen stellt er aber eine spielerische Kunstwelt dar (vgl. ebd. S. 198). Unter anderem deswegen ist es „[...] eine in weiten Kreisen der westlichen Gesellschaft geächtete und angegriffene Musikkultur“ (ebd. S. 14). Zudem findet man in einer extremen Form des Heavy Metal, der Strömung des Black Metal, eine Nähe zu faschistischem und nationalsozialistischem Gedankengut. Dieser Eindruck des latent Faschistischem überträgt sich auf den gesamten Heavy Metal und insbesondere Gegner dieser Musikrichtung nehmen dies gern als Vorurteil an (vgl. ebd. S. 164).

Der amerikanische Musikjournalist Robert Duncan beschreibt wie folgt seinen Eindruck von Heavy Metal:

„pimply, prole, putrid, unchic, unsophisticated, antiintellectual (but impossibly pretentious), dismal, abysmal, terrible, horrible, and stupid music, barely music at all; death music, dead music, the beaten boogie, the dance of defeat and decay, the huh? sound, the duh sound … music made by slackjawed, alpacahaired […] imbeciles in jackboots and leather and chrome for slack-jawed, alpaca-haired, downy-mustachioed imbeciles in cheap, too-large T-Shirts with pictures of comicbook Armageddon ironed in front“ (Roccor, Bettina: Heavy Metal. Die Bands. Die Fans. Die Gegner. München: C.H. Beck 1998. S. 10f.)

Hierbei kann man sich auf den französischen Soziologen Pierre Bourdieu und dem von ihm geprägten Begriff „illusio“ beziehen. Bei der “illusio” handelt es sich um einen “von allen auf dem Feld Agierenden geteilten Glauben [...]. Jedes Feld hat seine eigene Illusio und seine eigenen Gegensätze, die von außen unsinnig, illusorisch erscheinen. […] Die Illusio bestimmt auch die Interessen und Strategien“ (Rehbein, Boike: Die Soziologie Pierre Bourdieus. Konstanz: UTB GmbH 2006. S. 106). Obwohl sich die Musikkultur Heavy Metal mit den kontroversen Feldern Politik und Religion auseinandersetzt, verfolgt sie dennoch keine politischen oder anderen Ziele. Häufig erregen provokante Darstellungen militärischer oder politischer Gewalt Aufsehen, jedoch sieht es der Heavy Metal nicht als Ziel an, damit zur Revolution oder Ähnlichem aufzurufen. Diese Veränderungen wären nicht im Sinne des eigentlich konservativen, teilweise gar reaktionären Heavy Metal. Zudem ist ein wichtiger Wert der Individualismus, auch wenn sich die Fans wiederum als einheitliche Gemeinde verstehen und dies beispielsweise auf großen Festivals zelebrieren (vgl. Rachau 2014, S. 19). Diese Aspekte zeigen auch die Gegensätze im Heavy-Metal-Feld, hierzu im späteren Verlauf mehr.

Eine wichtige Komponente ist auch die Veränderung des Feldes über die Zeit. In den 1980er Jahren galt Heavy Metal als Gegenentwurf zum Spießbürgertum, besonders im Osten. Heutzutage wird er überwiegend akzeptiert und provoziert so selten noch. Deshalb stellt Götz Kühnemund die Frage in den Raum: „Es hat sich längst ausrebelliert. Oder?“ (vgl. Kühnemund, Götz: Metal gegen Unterdrückung & Repression. In: Rock Hard 274 (März 2010). S.3). Rachau möchte folglich „[...] die Vertreter des Heavy Metal zu Streitern für die persönliche Freiheit […] stilisieren und so eine Sinngebung […] stiften, die angesichts gesellschaftlicher Anerkennung und des drohenden Verlustes des Provokationspotenzials notwendig wird“ (Rachau 2014 S.23).

Ideale / Image - Freizeitkultur vs. Lebensmodell


Für Robert Walser ist das Leitmotiv im Heavy Metal Power (Kraft/Macht/Energie). Dies führt er auf die Begrifflichkeit „Heavy Metal“ insofern zurück, als dass sie sich einerseits auf Schwermetalle beziehe und andererseits „[...] bereits im 19. Jahrhundert neben dem technischen ein seiner Aussage nach figurativer, sozialer Begriff“ (ebd. S. 29f.) sei. „Der Begriff Heavy Metal rufe Kraft und Potenz hervor, die sich im Ausdruck ein Mann aus Heavy Metal, ungefähr im Sinne von ein Mann, so hart wie Stahl, verdeutlichen“ (ebd. S. 30).

„'Heavy Metal' now denotes a variety of musical discourses, social practices, and cultural meanings, all of which revolve around concepts, images, and experiences of power. The loudness and intensity of heavy metal music visibly empowers fans, whose shouting and headbanging testify the circulation of energy at concerts. Metal energizes the body, transforming space and social relations. The visual language of metal album covers and the spectacular stage shows offer larger-than-life images tied to fantasies of social power, just as in the more prestigious musical spectacles of opera. The clothing and hairstyles of metal fans, as much as the music itself, mark social spaces from concert halls to bedrooms to streets, claiming them in the name of a heavy metal community. And all of these aspects of power provoke strong reactions from those outside heavy metal, including fear and censorship“ (Walser, Robert: Running with the Devil: Power, Gender, and Madness in Heavy Metal Music. Hannover: Wesleyan 1993. S.2)

Neben dem zentralen Wert Power, sind auch die Gedanken von Freiheit und Unabhängigkeit von Relevanz. Sie sind verbunden mit den Idealen der Ehrlichkeit und Bodenständigkeit (vgl. Rachau 2014 S. 194).

Dargestellt wird dies durch ein bestimmtes Vermarktungs-Muster, das auf viele der erfolgreichen Heavy-Metal-Bands angewandt wurde. Ein Bandmitglied, meist der Sänger, da dieser die Brücke zu den Fans darstellt, wird als trinkfester, drogenfester Typ in Szene gesetzt. Dieser Typus wurde bereits im Hillbilly entwickelt. Eskapaden und Anekdoten im Alkohol- und Drogenrausch werden in das Zentrum gesetzt. Dadurch wird folgende Wirkung erzielt: “Einerseits präsentiert sich der Sänger und mit ihm Band als auf dem Boden geblieben, quasi die Jungs von nebenan, andererseits lenkt er erfolgreich von der durch und durch professionell geleiteten Bandarbeit ab und entwirft das Bild eines unbekümmert um die Welt tourenden Rockmusikers, der sein Hobby und seinen größten Spaß zum Beruf gemacht hat” (ebd. S. 138).

Altrogge/Amann beschreiben dies so: “Der Mythos der Rebellion etwa wird transportiert über einen stark individualistischen Freiheitsbegriff, der das ungehinderte Ausleben männlicher Sexualität genauso propagieren kann wie schnelles Auto-/ Motorradfahren, exzessives Trinken (bzw. allgemein den Konsum von Drogen) oder ein archaisches Faustrecht” (Altrogge 1991, S. 20). So wird unter anderem die Fixierung auf das Männliche und das Hervorheben maskuliner Tugenden, beispielsweise anhand der Darstellung der Trinkfestigkeit, deutlich (vgl. Rachau 2014, S. 98) Die archaische Komponente ist eine der auffälligsten Merkmale des Heavy Metal (vgl. Altrogge 1991, S. 20). Folglich lassen sich zum Beispiel in den Songtexten Verbindungen zu anderen Genres der populären Kultur, der Fantasy- und Horrorliteratur bzw. den dazugehörigen Filmen finden (vgl. ebd. S. 20).

Laut Sebastian Rachau ist Heavy Metal eine “Freizeitkultur”, beispielsweise im Vergleich zum Punk, der über die Musik hinaus politische Einstellungen mit sich bringt, die in der Szene auch gelebt werden (vgl. Rachau 2014 S. 147). Die wenigsten Heavy-Metal-Musiker sind professionell genug, um von der Musik leben zu können. So kommt es, dass die meisten Musiker große Abschnitte des Jahres in ihrem Hauptberuf arbeiten, um dadurch die Auszeiten für Tourneen oder Plattenaufnahmen finanzieren zu können. Auch die Fans gehen arbeiten, um sich Platten, Konzerte und Merchandising leisten zu können. Hinzu kommt, dass die Musiker bzw. die Bands in ihrer musikalischen Tätigkeit ein hohes Arbeitsethos zeigen (vgl. ebd. S. 197). Gutes Beherrschen der Instrumente gilt als Mindestanforderung und darüber hinaus Fannähe und sichtbare Arbeit (durch Konzerte und eigene Dokumentationen über Plattenaufnahmen). Sie werden als wichtige Signale von hohem Arbeitsethos gedeutet. Dies drückt sich zudem in der Technikaffinität aus, die sichtbar ausgestellt wird (auf Konzerten, in Interviews und Dokumentationen).

Der Black Metal, eine extreme Form des Heavy Metal, versucht jedoch mit Musik und Text einen Lebensentwurf zu kreieren, der als Gegenentwurf zum Christentum im Satanismus kulminiert (vgl. ebd. S. 162). Das Feindbild ist hierbei das Christentum und des Weiteren alles Schwache. Ansonsten ist Heavy Metal, wie zuvor beschrieben, eine Freizeitkultur zu nennen. Sie weist einen eskapistischen Charakter auf, denn sie dient sowohl den Fans als auch den meisten Musikern als Ausgleich zur alltäglichen Arbeit. Die archaische/eskapistische Komponente finden Ausdruck in “- einer okkultistisch beeinflußten Attitüde, - einer radikalisierten Form des ‘live hard, die young’-Mythos, und - einem kraftprotzenden Sexismus” (Altrogge 1991, S. 21).

Stile/Strömungen 

Es gibt sehr viele verschiedene Stile bzw. Strömungen im Heavy Metal, welche von Bands, der Musikindustrie selbst oder der Heavy-Metal-Presse für eine bessere Orientierung erschaffen werden. Beispielsweise bietet die Zeitschrift Rock Hard für ihre Albenrezensionen 16 Stilzuordnungen an (Heavy Metal / Black Metal / Death Metal / Doom Metal / Grindcore, Noise / Hardcore, Metalcore, Punk / Progressive / Alternative, Indie / Industrial, Elektro Metal / Modern, Rap, Funk Metal / Gothic Metal, Wave / Folk Metal, Rock / Hardrock, Melodic Metal / Rotzrock, Rock'n'roll / Speed, Thrash Metal / Classic Rock); vgl. Rock Hard 284 (Januar 2011), S. 100)


Musikanalyse und musikalische Entwicklung


In den Anfangstagen der populären Musik ist das Klavier als etabliertes Statussymbol der weißen Mittelschicht im Zentrum. Es wird von der Gitarre abgelöst. Das Klavier hat nicht nur den Ruf des Bürgerlichen, sondern somit auch von Angepasstheit, Kommerzialität, unverzerrtem Klang, Elite und schließlich Popmusik. “Hammondorgel, Keyboard bzw. Synthesizer und Klavier gelten im Heavy Metal als elitäre Instrumente bzw. Popinstrumente und werden besonders in der Formierungsphase der New Wave of British Heavy Metal (NWobHM) entschieden abgelehnt.” (Rachau 2014, S. 129). Manche Heavy-Metal-Bands nutzen dennoch ein Keyboard / Synthesizer. Auf diese Weise entstehen komische Konzertsituationen: Keyboardspieler spielen teilweise hinter einem Vorhang, selbst wenn sie ein offizielles Bandmitglied sind oder die Keyboardparts werden von Gastmusikern (sogenannten Sessionmusikern) übernommen. Erst in den 1990er Jahren wird es teilweise regelrecht zelebriert, von neuen Strömungen wie dem skandinavischen Black Metal.

(Gitarren-) Riffs werden häufig als zentrales Element des Heavy Metal angesehen. Meistens bestehen die Riffs im Heavy Metal aus vier Takten (vgl. ebd. S. 51). Robert Walsers Begründung, was Heavy Metal so “heavy” mache: “Die starke Verzerrung der E-Gitarren, große Lautstärke, verzerrtes Singen, einfacher Rhythmus (4/4), der aber durch Synkopen u.Ä. verkompliziert wird sowie modale Skalen gepaart mit Powerchord und Gitarrensoli” (ebd. S. 51). Laut ihm sei die Melodie nicht so relevant.

“Die schriftliche Fixierung ist im Heavy Metal wenig bis gar nicht entwickelt. Einige wenige Songbooks mit ausgewählten Liedern wie z.B. zu Metallica, Led Zeppelin, Deep Purple oder AC/DC können nicht darüber hinwegtäuschen, dass nahezu der gesamte Metalbereich ohne Fixierung in Noten auskommt” (ebd. S. 48). Gewöhnlicherweise werden Gitarrentabulaturen, TAB abgekürzt, genutzt. Sie sind nicht nur für die Gitarre, sondern auch für den Bass und andere Instrumente zu finden (vgl. ebd. S. 48).

Metaleigene Ästhetik


Die metaleigene Ästhetik orientiert sich an der dualistischen Struktur. Die Plattencover der Heavy-Metal-Bands der 1980er Jahre sind meist bunt und farbenfroh, stilprägend ist unter anderem die Band Iron Maiden. Später kommen viele schwarz-weiße und monochrome Cover hinzu. Des Weiteren hat die Band Iron Maiden und daraufhin weitere Bands ihr eigenes Maskottchen. Viele Bands besitzen auch einen bandtypischen Schriftzug ihres Namens, der als Symbol/Zeichen/Ikone für die Band steht und den Wiedererkennungswert steigern soll. Das Albumcover zeigt, welche Position eine Band einnimmt: traditionell bunt vs. neuartig monochrom bzw. schwarz-weiß (vgl. ebd. S. 161). “Der bis in die 1990er Jahre bestehende bunte Bildercode des Heavy Metal wird, reagierend auf eine das gesamte Musikfeld erfassende ästhetische Veränderung, die die 1990er Jahre deutlich von den 1980er Jahren abgrenzt, zugunsten von Monochromizität aufgegeben, die bis heute bestimmend bleibt” (ebd. S. 160).

Ein zentrales Kleidungsstück des Heavy Metal ist die Kutte. Sie ist “eine ärmellose Jeansweste, die vollständig mit Aufnähern (Patches) favorisierter Heavy-Metal-Bands benäht ist. Dabei hat sich eine gewisse Ordnung herauskristallisiert, bei der auf dem Rücken ein großer Rückenaufnäher (Backpatch) angebracht wird, umringt von kleinen Aufnähern, während auf der Vorderseite kleine Aufnäher angebracht sind. Vorläufer sind die Motorradkutten der Rockerszene in den 1970er Jahren. Die Kutte besitzt sehr hohen Identifikationscharakter, steht aber auch stark für das Heavy-Metal-Feld in den 1980er Jahren.” (ebd. S. 159-160).

Entwicklung im historischen Wandel (bis Anfang/Mitte 90er)


Um die Entwicklung über die Zeit darzustellen, muss man mit der Ausgangslage in den 1950er Jahren starten. In den 50ern führte der ökonomische Aufschwung zu einem größeren Maß an finanzieller Unabhängigkeit auch für Jugendliche der unteren sozialen Schichten und einer weiteren Entwicklung des Medienmarktes. Die Produkte der Unterhaltungsindustrie als auch die “geschniegelten, alterslosen Showstars der frühen 50er Jahre” (Altrogge 1991, S. 16) waren nichts für die Jugendlichen zu der Zeit. So fingen die jüngeren Leute an, sich mehr für Black Music/Rhythm & Blues zu interessieren. Dieser Musikstil propagierte Erregung, Hedonismus und besonders Sex. Rock fand schließlich seinen Durchbruch durch die Vermischung von Rhythm & Blues mit Country- und Westerntradition des “weißen” Amerika.

Es lassen sich einige Parallelen vom Heavy Metal zur Country-Musik finden. Beide sind überwiegend konservativ eingestellt (lassen nur langsam Veränderungen zu) und ihnen wird teils vorgeworfen, sie hätten eine rassistische Ideologie zugrunde liegen. Auch beim Country/Western wird darauf Wert gelegt, dass immer ein Eindruck der Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Bodenständigkeit und des Ungekünstelten entsteht (vgl. IF S. 100). “Folk und Country haben somit als Vorläufer ihren größten Einfluss in einem bestimmten Selbstbild und Selbstverständnis von Musikern und Fans, das sich so im Heavy Metal deutlich wiederfindet und Heavy Metal zu einer weißen Musik macht, auch wenn musikalisch der Blues der wichtigere Einfluss ist” (Rachau 2014, S. 100).

Blues veränderte sich zu Blues Rock, Blues Rock zu Hard Rock und dieser schließlich zu Heavy Metal. Also ist Blues die musikalische Hauptwurzel des Hard Rock bzw. Heavy Metal, insbesondere Rhythm and Blues (R&B). Dieser ist geprägt von zahlreichen ekstatischen Ausbrüchen. Großen musikalischen Einfluss auf den Heavy Metal hatte Anfang der 1970er Jahre die Band Black Sabbath mit u.a. Ozzy Osbourne als Sänger. So fand der Übergang vom Hard Rock zum Heavy Metal statt. Ihre Songtexte behandelten Themen wie Schicksal, Religion, Drogen, Leben und Tod - “[...] dies bildete einen Fundus, aus dem sich die Texte im Heavy Metal insgesamt speisen” (ebd. S. 121f.).

Die drei großen sogenannten “Mutterbands” des Heavy Metal sind demnach Black Sabbath, Led Zeppelin und Deep Purple - obwohl diese heutzutage meist nicht als Heavy-Metal-Bands wahrgenommen werden, sondern als Meilensteine der allgemeinen populären Musikentwicklung. Dies liegt unter anderem an ihrer kommerziellen Vermarktung. Der kommerzielle Aspekt spielt auch bei der Entwicklung des Heavy Metal eine große Rolle. Sein Grundstein wird im Zentrum der Macht des Musikgeschäfts gelegt, da autonome Plattenlabel, den Rock betreffend, praktisch nicht mehr existieren (vgl. ebd. S. 136). Zuvor hatten die etablierten Majorlabel die kleineren Label weitestgehend aufgekauft und sie als ihre Unterlabel integriert.

Die weitere Entwicklung des Verstärkers hat den lauten Sound von E-Gitarren unterstützt. Auch die Entwicklung von Verzerrern, Effektgeräten und verschiedenen Tonabnehmern für die Gitarre ist entscheidend für die Soundentwicklung. So werden Bands bzw. Musiker als Werbeträger für die Vermarktung der neu entstehenden Technik genutzt. Dadurch entsteht etwas Heavy-Metal-Typisches: das Herausstellen und Kommunizieren der Technik. In Interviews werden die Bandmitglieder nach der Technik gefragt, sie erläutern ihre Vorlieben (z.B. ob sie einen Transistor- oder Röhre- Verstärker nutzen). Dies wird durch die sogenannten Endorsement-Verträge hervorgerufen, welche einen Musiker an den Hersteller des Equipments binden. Dafür erhalten die Musiker das Equipment günstiger oder gar kostenlos. Durch die Technik soll der Erfolg und Status einer Band gezeigt werden, auch hier verdeutlicht sich wieder der Aspekt der Power. “Die Kommunikation über die Technik und gleichzeitiger Fetischisierung trägt den Charakter der Konkurrenz und des gegenseitigen Überbietens in sich” (ebd. S. 142).

Mitte der 1970er Jahre kommt die Punkbewegung auf und es folgen im Heavy-Metal-Sektor Bands wie Motörhead, AC/DC, Judas Priest und Kiss. Sie bilden ein sehr wichtiges Bindeglied zur neuen Generation des Heavy Metal und prägen, durch den Punk beeinflusst, eine Veränderung in den Bereichen Musik, Bühnenaussehen und Performance. Der Punk bzw. Punkrock verdrängt den Hard Rock bzw. Heavy Metal jedoch aus dem Kerngeschäft. Dies ist der wichtigste Auslöser hin zu einem musikalisch autonomen Heavy-Metal-Feld. Der Beginn markiert die sogenannte New Wave of British Heavy Metal (NWoBHM), welche vor allem das Auftreten unzähliger neuer Heavy-Metal-Bands zu Beginn der 1980er Jahre in Großbritannien und die Vorbildwirkung für den Heavy Metal weltweit bezeichnet (vgl. ebd. S. 145). Die erste Hochphase des Heavy Metal findet somit in den 1980er Jahren statt und beginnt mit der NWoBHM. Datiert wird die NWoBHM auf den Zeitraum von 1978/79 bis 1983/84 - die wichtigsten Bands dieser Zeit sind Def Leppard, Saxon und Iron Maiden.

Es bildet sich eine duale Polarität auf musikalischer Ebene heraus: Melodie/Nichtverzerrung (mehr auf das Massengeschäft konzentriert, erhält deshalb oftmals Abwertung) gegenüber Nichtmelodie/Verzerrung (extremere Metalbands, die später den Strömungen Thrash, Death und Black Metal zugeordnet werden). Der Gegenpol zum Thrash Metal besetzt auf der Seite Nichtmelodie/Verzerrung in den 1980er Jahren der Power Metal. “Power Metal ist teils sehr erfolgreich und erreicht feldexterne Hörer. Dies beruht vor allem auf der Betonung des Melodischen, auf dem stimmhaften Gesang und damit verbunden der partiellen Rücknahme der Gitarrenlastigkeit bzw. der Gitarrenverzerrung” (ebd. S. 154). Die etablierte Musikindustrie greift diese Strömung sehr auf und vermarktet sie. Kennzeichnend sind unter anderem gestylte, aufgetürmte Langhaarfrisuren und die Bands Cinderella und Europe (bekannt durch ihren Hit “Final Countdown”). Power Metal gerät nach und nach mehr aus dem Heavy-Metal-Feld heraus in das Popfeld (vgl. ebd. S. 154-155). “Power Metal und Glam Rock führen zu einer starken Medienpräsenz des Heavy Metal, wobei die extremen Spielarten weiter gemieden werden” (ebd. S. 155).

Während der NWoBHM verändert sich die umliegende Musiklandschaft. Musikmagazine und sogenannte Fanzines erscheinen, die sich speziellen Musikströmungen widmen, so z.B. auch dem Heavy Metal. Die Zeitschrift “Kerrang!” widmet sich als eine der ersten ausschließlich dem Heavy Metal und Hard Rock. Neben ihm gibt es schon das niederländische Musikmagazin “Aardschok”, welches aber nur auf Niederländisch erscheint - “Kerrang!” erscheint auf Englisch. Weiterhin gibt es das allgemeine Musikmagazin “Sounds”, in dem die Heavy-Metal-Soundhouse-Charts von Neal Kays abgedruckt werden. Für dieses schreibt der Journalist Geoff Barton, welcher als Urheber der Bezeichnung NWoBHM angesehen wird. Im Fernsehen lässt BBC wöchentlich die “Friday Rock Show” mit DJ Tommy Vance ausstrahlen. Zusätzlich gibt es die Sendung “Friday Rock Show Sessions” zu der Tommy Vance neue Bands einlädt. Folglich gewinnt Rock und auch Hard Rock und Heavy Metal mehr an medialer Popularität.

Die wichtigste Verbreitungsart und eines der wichtigsten Identifikationsmerkmale ist das Tapetrading in den 1980er Jahren. Dies wird erst möglich durch die Entwicklung der Tonbandkassette, diese wird später von der Entwicklung digitaler Medien und des Internets abgelöst. Ein internationales Netzwerk aus Briefverbindungen entsteht, die Demo-Tapes austauschen (vgl. ebd. S. 166). Bis auf die eigenen Versandkosten ist es überwiegend kostenlos. Es entsteht ein feldeigener, von der Musikindustrie unabhängiger Vertrieb, welcher zu Bekanntheit vieler Bands führt. Wiederum diese Bekanntheit beschert einigen Bands Plattenverträge bei kleineren Heavy-Metal-Labeln. Wichtige erste Label: sind Reddington’s Rare Records, Phoenix Records & Filmworks, Trial Records, DHM, Avatar Records, Rondolet Records, Ebony und HM Records. Die aktuell wichtigen großen Label sind wiederum Nuclear Blast, SPV Steamhammer, Century Media, Roadrunner Records und Metal Blade Records. Nuclear Blast, SPV und Century Media haben ihren Stammsitz in der BRD, was die Wichtigkeit der deutschen Heavy-Metal-Label zeigt.

So kommt es, dass Heavy Metal in der ersten Hälfte der 1980er Jahre eine der bestimmenden Musikrichtungen ist. In neu entstandenen Medien wie bspw. dem Musikfernsehsender MTV erhält sie viel Beachtung. “Besonders der visuelle Aspekt, der in der bunten und schrillen Performance des Power bzw. Glam Metal liegt, ist prädestiniert für das Musikfernsehen M-TV. Der Sender seinerseits profiliert sich mit Power und Glam Metal und trägt damit nicht unerheblich zum sinkenden Ansehen im Heavy-Metal-Feld bei” (vgl. ebd. S. 177).

Nur kommt es durch die starken politischen Veränderungen zu Beginn der 1990er Jahre zu einer Krise im Feld des Heavy Metal. Bekanntermaßen sind im Jahre 1989 erste demokratische Parlamentswahlen in Polen, die Grenzanlagen Ungarns zu Österreich und die Grenzbefestigungen der Tschechoslowakei werden abgebaut und schließlich kommt es zum Fall der Berliner Mauer am neunten November 1989. Dies führt zur Öffnung des Eisernen Vorhangs und zum Ende des Kalten Krieges. Auch zieht die Sowjetunion ihre militärischen Truppen aus Afghanistan zurück, wodurch der zehnjährige Sowjetisch-Afghanische Krieg beendet wird. Zudem wird George H. W. Bush Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und Richard von Weizsäcker Bundespräsident Deutschlands. Es ist also insgesamt eine Zeit des Umbruchs.

Ein neues politisches Bewusstsein entsteht: einerseits der große Wunsch nach Veränderung, andererseits die Angst vor Veränderung. Beide Seiten werden teilweise enttäuscht. Darauf hat laut Sebastian Rachau der Heavy Metal (fatalistisch und unpolitisch) keine Antworten: “Grunge, Nu Metal, aber auch Death Metal scheinen in dieser Hinsicht bessere Antworten zu liefern, geben der Unsicherheit stärkeren Ausdruck und wirken insgesamt durch die Kombination der verschiedenen Einflüsse neu und unverbraucht” (ebd. S.156). Die Verkaufszahlen des Heavy Metal gehen Anfang der 1990er Jahre zurück und so distanzieren sich die Majorlabel vom Heavy Metal und fokussieren sich mehr auf die nun sehr populären Musikrichtungen Grunge und Nu Metal (vgl. ebd. S. 155).

Auf diese Weise findet ein abruptes Ende der schrillen/bunten Ästhetik der 1980er Jahre, die das gesamte Feld populärer Musik ausgezeichnet hat, statt. Dieser Moment wird häufig als eine Art Neuanfang genutzt. Viele etablierte Bands orientieren sich musikalisch neu, besetzen sich um oder lösen sich gar auf. Meist bricht die enttäuschte Fanbasis weg. Beispielsweise wird die Band “Iron Maiden” von ihrem Sänger Bruce Dickinson verlassen und “Judas Priest” von ihrem Sänger Rob Halford. Bis dahin regelmäßig laufende Sendungen, wie Headbangers Ballroom auf MTV, werden aus dem Programm genommen, da Grunge sich als deutlich erfolgreicher herausstellt und später Rap und Hip-Hop die massenmediendominierenden Musikrichtungen werden” (ebd. S. 157).

Spezielle Entwicklung des deutschen Heavy Metal


Die große Gesamtentwicklung des Heavy-Metal-Feldes geht vom angloamerikanischen Raum aus. Deutschland vollzieht diese mit etwas Verzögerung. Doch es gibt spezifische deutsche Entwicklungen, die in das Heavy-Metal-Feld einfließen. Diese führen z.B. zu Stilbesonderheiten, die als “typisch deutsch” gelten. Am Anfang steht mit der Herausbildung des Heavy-Metal-Feldes in den frühen 1970er Jahren der sogenannte “Krautrock”. Der Begriff “Krautrock” ist eigentlich eine Spottbezeichnung für die Deutschen während des 2. Weltkrieges, aber auch ein selbstgewählter Begriff der Bands. Die Bands wollen damit ihre Eigenständigkeit und angestrebte Unabhängigkeit von angloamerikanischen Einflüssen betonen. Es wird ein Oberbegriff für verschiedene Bands mit unterschiedlichen Musikrichtungen, die die eigenständigen Ambitionen zu Beginn der 1970er Jahre verbindet. Beispielhafte Bands sind Amon Düül, Tangerin Dream, Can, Jane, Eloy, Kraftwerk und Ton Steine Scherben. Aus heutiger Sicht wirkt die betonte Eigenständigkeit fragwürdig, da die wenigsten Bands die deutsche Sprache wählen, sondern die englische. Dennoch entstehen durch den Krautrock erstmals in der Bundesrepublik Deutschland unabhängige Plattenlabel. (vgl. ebd. S. 189/190) Erste deutsche, für lange Zeit bedeutendste und mit großem internationalen Erfolg gekrönte Hardrock- bzw. Heavy-Metal-Bands sind übrigens Scorpions und Accept (vgl. ebd. S. 192).

Marktanteil in der Musikindustrie


Im Jahr 1981 betrug laut “Musik, Statistik, Kulturpolitik” “der Anteil des Musikstils “Internationaler Hardrock” 4% des Gesamtumsatzes auf dem Tonträgermarkt in Deutschland. [...] 1990 erreicht der Bereich “Rock”, “dazu zählen ‘Hardrock’ und ‘Heavy Metal’, nicht jedoch deutsch gesungener Rock”, einen Anteil von ca. 10% des deutschen Gesamtmarktes [...]” (Roccor, Bettina: Heavy Metal. Kunst, Kommerz, Ketzerei. Berlin: I. P. Verlag 2002. S. 297)” Einige Jahre später, im Jahre 2009, beträgt der Rock-Anteil am Gesamtumsatz 18,9%, wobei hier schließlich aber auch der deutschsprachige Rock dazugerechnet wird (vgl. Bundesverband Musikindustrie. Jahreswirtschaftsbericht 2009. Umsatzentwicklung. http://www.musikindustrie.de/jwb_umsatz09/ [30.05.2016]). Letztes Jahr 2015 hat der Bereich Rock den zweitgrößten Marktanteil (20,3% am Gesamtumsatz im Jahr 2015), direkt hinter Pop (26,8%). Zu “Rock” zählt hierbei: Rock deutschsprachig, Rock englischsprachig, Heavy Metal, Punk und Austro Rock. (vgl. Bundesverband Musikindustrie. Jahreswirtschaftsbericht 2015. http://www.musikindustrie.de/fileadmin/piclib/publikationen/BVMI-2015-Jahrbuch-ePaper.pdf [30.05.2016])

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