05. Ausblick

Heavy Metal: Entwicklung ab Mitte der 1990er Jahre bis heute


Ab Mitte der 1990er Jahre schreitet die Digitalisierung erheblich voran, insbesondere durch die Faktoren der CD und der Internetentwicklung. Das Tapetrading tritt zwangsläufig in den Hintergrund und Bands stellen nun ihre Songs auf eigene Webseiten. Durch die fortgeschrittene Technikentwicklung können sich Bands mit wenig Aufwand eine eigene CD erstellen, um diese auf Konzerten selbst zu vertreiben (vgl. Rachau, Sebastian: Im Feld des Heavy Metal – Vier deutsche Bands. In: Schriftenreihe „Studien zur Musikwissenschaft“ (Band 29). Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2014. S. 167). Später kommen auch noch tonträgerlose Formate wie MP3 hinzu und zudem findet ein Ausbau der Studiotechnik, mit Mehrspurtonbandaufnahmen und später digitalen Aufnahmen, statt. Viele Bands profitieren von dieser Entwicklung, da ihnen die Eigenproduktion erleichtert wird. Es gibt neue Möglichkeiten der Nachbearbeitung sowie immer günstigere Aufnahme- und Bearbeitungstechnik und CD-Brenntechnik. Diese Entwicklung führt dazu, dass Bandsbeginnen, sich über die Aufnahmetechnik zu definieren (vgl. ebd. S. 168) - analog vs. digital. Anfangs wetteiferten die Bands um die beste Livekonzerttechnik (Verstärker, Boxen, etc.), dann um die beste Studio- und Aufnahmetechnik. Auch können sich Bands auf eigenen Internetseiten präsentieren.

Durch die Entwicklung CD und MP3, und folglich Internettauschbörsen wie Napster, entsteht jedoch auch eine Krise in dem gesamten Feld der musikalischen Produktion (vgl. ebd. S. 174). Alben im Heavy Metal bleiben im Vergleich zu anderen Musikgenres wichtig. Der Absatz der Heavy-Metal-Alben verbessert sich nicht, aber ist im Vergleich zum sinkenden übrigen Musikmarkt besser aufgestellt. Dadurch landen mehr Heavy-Metal-Alben in den Charts, wodurch wiederum mehr Aufmerksamkeit generiert wird. Die Musikindustrie sieht dies als gute Geschäftsgelegenheit an und nimmt zunehmend Heavy-Metal-Bands unter Vertrag. Da es hier dennoch zurückgehende Verkaufszahlen zu verzeichnen gibt, wird das Band-Merchandising eine immer wichtigere Geldeinnahme. Dies ist der Beginn vom Heavy-Metal-Versandhandel, beispielsweise über die E.M.P. Merchandising Handelsgesellschaft mbH oder über das Heavy-Metal-Label Nuclear Blast.

Zu Beginn der 2000er wird die zuvor erwähnte Krise überwunden und ein fester Markt mit festen Strukturen entsteht. Die Entwicklung des Anfangs des 21. Jhd. führt sowohl zur Autonomie des Heavy-Metal-Feldes als auch zur vermehrten Rückbesinnung und Reflexion auf das Eigene. Die anfänglichen Bands werden verehrt. So kommt es, dass viele neue Bands musikalisches Material alter Bands nehmen und Neues hinzumischen. Auch werden viele alte Bands wieder aktiv. Dieses starke Herausbilden eines traditionellen Zentrums verteidigt die “reine Lehre der NWoBHM” (ebd. S. 183) und sieht die Ursprungsbands als Helden an. Zur dualen Struktur kommt nun also noch die Leitdifferenz Old School vs. New School hinzu (vgl. ebd. S. 179), also traditionell vs. neuartig.

Digitale Technik ist nun ausschließlich bestimmend im Musikbereich, was zu einer Diskussion über die Vor- und Nachteile digitaler Musikproduktion im Heavy-Metal-Feld anregt. Folglich manifestieren sich die Leitdifferenzen Röhre vs. Transistor und analog vs. digital. Unter anderem aufgrund der Digitalisierung gehen die Verkaufszahlen von Alben weiter zurück und die Aspekte Merchandising, Konzerte und generell Live-Auftritte werden zunehmend bedeutender. Ganz besonders betrifft dies mehrtägige Heavy-Metal-Festivals, wie zum Beispiel das Bekannteste: Wacken. (vgl. ebd. S. 181)

Die aktuelle Präsenz von Heavy Metal zeigt auch, dass der European Vision Song Contest 2006 von der finnischen Power-Metal-Band “Lordi” gewonnen wird. Auch der Bundesvision Song Contest 2007 und 2008 des privaten Fernsehsenders Pro7 wird von den deutschen Metalbands “Oomph” und “Subway to Sally” gewonnen (vgl. ebd. S. 186).

Die heutige Sicht auf Heavy Metal beschreiben Wallach/Berger/Greene so: “In the American popular mind, heavy metal might seem a dead or defunct musical genre. For many people, metal refers either to the type of music that dominated record sales and radio airplay in the 1980s, or to the classic bands that first defined the style in the 1970s. When metal was supplanted by the grunge movement of the early 1990s, the genre seemingly died. As Metal Rules the Globe makes clear, however, heavy metal remains a vital, active, and creative style of music that has been embraced by fans around the world. Although perhaps not as popular as it once was in the United States, the music nontheless has a burgeoning international following” (Marino, Michael P.: Book Review about “Metal Rules the Globe: Heavy Metal Music around the World”. In: Berger, Harris M.; Greene, Paul D.; Wallach, Jeremy (Hrsg.): Popular Music and Society (Volume 37 Number 1). Durham, NC: Duke University Press 2013. S. 106)

Heavy Metal ist ein globales Phänomen geworden und “metal’s popularity is the result of indigenous and local factors. Each region adopts metal for different reasons, and these reasons are situated in local politics and culture” (ebd. S. 107), so z.B. der Grund der Entmächtigung durch die Industrialisierung in Indonesien. “[Deena] Weinstein identifies how metal’s worldwide popularity is rooted in cultures of opposition and the need for young people to find an outlet to express anger and discontent” (ebd. S. 107).

Aktuelle Musikformate


2006 nutzen laut der JIM-Studie noch immer 50% der Zwölf- bis 19-Jährigen das Fernsehen, um Musik zu hören (vgl. Wolther, Irving: Musikformate im Fernsehen. In: Schramm, Holger (Hrsg.): Handbuch Musik und Medien. Konstanz: UVK-Verl.-Ges. 2009. S. 179). Jedoch ist die Zahl der Musikformate, besonders für junge Leute, im deutschen Fernsehen gesunken. Der Anteil von Musiksendungen am Gesamtprogramm der ARD lag 1985 bei 7,4% (vgl. ebd.), 20 Jahre später (2005) bei noch gerade einmal 1,5% mit einer weiter abnehmenden Tendenz (vgl. ebd.). Im gleichen Zeitraum hat das ZDF seinen Musikanteil von 5,7% auf 1,1% reduziert. Die privaten Sender haben sogar noch weniger Musiksendungen im Programm, den wahrscheinlichen Grund hierfür formuliert Irving Wolther folgendermaßen: “Wo heute Spartenprogramme um kleinste Zuschauergruppen buhlen, rechnet sich ein ausdifferenziertes Musikangebot offenbar nicht mehr” (ebd.).

Seit dem Jahre 2006 hat sich aber bereits einiges in der Mediennutzung verändert. Hierzu sollen die Ergebnisse der JIM-Studie 2015 (https://www.mpfs.de/?id=676 [12.09.2016]) betrachtet werden, die Zwölf- bis 19-Jährige in Deutschland zu ihrer Mediennutzung befragen.



Wie in der Grafik ersichtlich, informiert sich der Befragtenkreis zum Thema Musik zu 64% über das Internet und nur zu 10% über das Fernsehen. Hier kann man bereits die Verlagerung vom Fernsehen zum Internet beobachten.

In dieser Grafik wird deutlich, dass die befragte Gruppe für Unterhaltungszwecke hauptsächlich das Internet nutzt, um Videoportale im Internet zu besuchen und um Musikvideos anzusehen. Musikvideos haben mit 59% bzw. 61% immer noch einen großen Stellenwert für die Freizeitbeschäftigung Jugendlicher.



Diese dritte Grafik zeigt, dass das beliebte Videoportal YouTube am meisten für das Ansehen von Musikvideos genutzt wird. Dies unterstreicht noch einmal das weiterhin große Interesse an Musikvideos, wozu jetzt aber Videoportale wie YouTube statt das Fernsehen genutzt werden. Im Fernsehen sind hierzu schließlich auch kaum noch Angebote für die Zielgruppe der Zwölf- bis 19-Jährigen.

Ein aktueller Trend ist, dass private Fernsehsender den Musikanteil immer öfter mit Nostalgiesendungen wie der Sendung „Die ultimative Chart Show“, die Hits unterschiedlicher Epochen und Stilrichtungen innerhalb einer Sendung mischen, füllen. Schon früher waren genre- und zielgruppenübergreifende Musikangebote beliebt. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen lässt sich vermuten, dass dies nicht allein auf die damals eingeschränkte Programmauswahl zurückverfolgt werden kann. Neben den Nostalgiesendungen, die überwiegend Musik der Jahrzehnte 70er/80er/90er spielen, sind aktuell hauptsächlich Volksmusik- und Castingshows im Fernsehen vertreten. Der Reiz an Nostalgiesendungen lässt sich wohl an dem bekannten Phänomen, “dass nach etwa 20 Jahren eine Gesellschaft ihre Kinder- und Jugendzeit in Phasen glücklicher Regression wiederzufinden sucht” (ebd. S. 204) festmachen. Dieses Prinzip wurde schon in den 1980er Jahren in Sendungen wie beispielsweise Souvenirs, Souvenirs (1983-1985) oder auch Das waren Hits (1987-1994) angewendet.

“Aktuelle Musik findet außer in Konzertübertragungen … oder Award-Shows fast nur noch in den Musikkanälen statt, die Videoclip-Angebot allerdings drastisch reduziert haben. Musikformate im Fernsehen spielen somit für die musikalische Sozialisierung Jugendlicher kaum noch eine maßgebliche Rolle. Die rückläufigen Tendenzen im Musikangebot betreffen aber Sendungen für ein erwachsenes Publikum.” (ebd. S. 204). Auch der Intendant Markus Schächter sieht für reine Musiksendungen “keine große Zukunft mehr” (ebd. S. 204).

Auf dem Fernsehsender VIVA werden noch Musikvideos ausgestrahlt und dazwischen wird über Musik und Anderes geredet, zum Beispiel mit Musikern als Studiogästen. Es ist aber kein eigenes Musikformat zu beispielsweise einem bestimmten Genre, so wie es MOSH ist. Heutzutage werden weiterhin gerne Musikvideos angesehen und das vorzugsweise über YouTube und andere Videoportale. Hinzu kommt eine neue Generation von Musikfernsehen, wie sie zum Beispiel die internetbasierte Musikplattform Ampya darstellt. Hier kann ein benutzerdefiniertes Musikvideo-Programm abgespielt werden, das durch zuvor gemachte gewünschte Einstellungen passende Musikvideos zeigt.

Es verdeutlicht sich also der aktuelle Trend, dass die Nutzer*innen selbst entscheiden wollen, welche Musikvideos sie sehen wollen. Musikformate, wie MOSH, sind heutzutage nicht mehr sonderlich gewünscht bzw. passen nicht zur aktuellen Zeit. Die Menschen, die früher MOSH gesehen haben, erinnern sich aber heutzutage immer noch gerne an die Zeit zurück. So ist es nicht verwunderlich, dass der Sendung MOSH ein Heavy-Metal-Club gewidmet wurde: http://www.moshclub.de/MOSH/.

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